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Mit allen Sinnen lernen:

Ein Escape Game als Lernraum für biochemische Aha-Momente

von Maren Kuhne

Dass Studierende bei einer Geruchsprobe plötzlich über Stoffwechselprozesse diskutieren oder in einer Stiftebox den Zusammenhang zwischen Farbwahrnehmung und Genetik herleiten - das erlebt man nicht jeden Tag im Seminar.

Genau solche Situationen entstehen im Escape Game „Sinne“, das ich im Rahmen meiner Lehrtätigkeit an der MSB Medical School Berlin entwickelt und als Lehrprojekt für meine Bewerbung zur Akademie ausgezeichnete Hochschullehre eingereicht habe. In diesem Beitrag möchte ich Einblicke in die Idee hinter dem Format geben, zeigen, was sich in der Praxis bewährt hat, und reflektieren, warum dieses Projekt für mich zu einem besonderen Lehrmoment geworden ist.

Die Idee: Fachinhalte erlebbar machen

In der Biochemie gehören komplexe Prozesse und abstrakte Zusammenhänge zum Alltag der Studierenden. Gleichzeitig erlebe ich oft, dass genau diese Inhalte schwer im Langzeitgedächtnis bleiben. Die Frage war also: Wie kann man biochemisches Wissen so vermitteln, dass es nachhaltig verstanden und nicht nur reproduziert wird?

Aus dieser Frage entstand das Escape Game „Sinne“.

Der Grundgedanke war einfach: Wenn Studierende fachliche Inhalte mit eigenen Wahrnehmungserfahrungen verknüpfen, entsteht ein anderes Lernen: aktiver, lebendiger und persönlicher. Das Setting kombiniert daher:

  • multisensorische Elemente (Riechen, Schmecken, Hören, Sehen)
  • eine narrative Mission, die durch das Spiel führt
  • Teamarbeit als zentrales didaktisches Prinzip
  • Rätsel, die fachliches Denken herausfordern und zugleich Spaß machen

Die Geschichte dient als roter Faden, aber die Lernziele steuern das Design. Jedes Rätsel ist auf biochemische Kompetenzen zurückgebunden, ob es um Signalwege, Wahrnehmungsbiologie oder klinische Fallbezüge geht.

Was in der Praxis besonders gut funktioniert hat

Schon in den ersten Durchläufen zeigte sich, wie stark Studierende sich auf das Format einlassen. Einige Aspekte haben sich über mehrere Semester hinweg besonders bewährt:

1. Multisensorische Aktivierung wirkt

Gerüche unterscheiden, Geschmacksvarianten zuordnen, auditive Signale interpretieren - diese Erlebnisse bleiben „hängen“. Viele Studierende beschrieben, dass sie bestimmte Inhalte Wochen später noch klar vor Augen hatten.

2. Teamarbeit fördert Tiefenlernen

Das gemeinsame Knobeln zwingt dazu, Beobachtungen zu teilen, Erklärungen auszuhandeln und Hypothesen zu entwickeln. Fachliche Gespräche entstehen dadurch fast automatisch.

3. Narrative Elemente motivieren

Eine gemeinsame Mission erzeugt Fokus und Spannung. Das Zeitlimit verstärkt die Dynamik, ohne Stress im negativen Sinn zu erzeugen.

4. Klinische Beispiele machen den Transfer sichtbar

Besonders die iterative Überarbeitung einzelner Rätsel im Rahmen eines Design Based Research Ansatzes - etwa die Verknüpfung der Stiftebox mit Rot-Grün-Blindheit oder die klinischen Antwortmöglichkeiten bei den Geruchsproben - hat den Studierenden geholfen, biochemische Grundlagen mit medizinischer Praxis zu verbinden.

Was ich im Entwicklungsprozess gelernt habe

Auch für mich als Lehrende war das Escape Game ein Lernprozess. Einige Punkte nehme ich dauerhaft in meine Lehre mit:

  • Feedback ist ein Schatz. Studierende äußern sehr klar, welche Elemente funktionieren und welche nicht.
  • Multiperspektivität stärken. Rätsel sprechen unterschiedliche Stärken an: analytisch, kommunikativ, kreativ. Das fördert Beteiligung.
  • Story und Struktur sind kein „Spielkram“. Eine gute narrative Klammer erleichtert Orientierung und reguliert Motivation.
  • Iteratives Arbeiten verbessert Qualität. Jede Durchführung bietet neue Anknüpfungspunkte für Feinjustierungen.
Mein Fazit: Mut zum Ausprobieren lohnt sich

Diese Erkenntnis konnte ich auch beim internen Akademietreffen im September 2025 mit Akademiemitgliedern im Rahmen eines WorldCafés diskutieren. Ein wertvoller Austausch, der neue Perspektiven auf mein Projekt eröffnet hat. Für mich bleibt das Escape Game „Sinne“ eines der Formate, die mich selbst überrascht haben. Durch die Lernfreude der Studierenden, die Intensität der Gruppenprozesse und die vielen kleinen Aha-Momente, die im klassischen Seminarraum oft verborgen bleiben.