Zum Hauptinhalt springen

E-Klausuren am digitalen Prüfungsschreibtisch

von Prof. Dr. iur Cornelia Fischer

Papier- und Aktenstapel waren gestern –
in der Arbeitswelt 4.0 wird im digitalen Raum kollaborativ gearbeitet. Das Drittmittelprojekt PEP (Praxisnahe Elektronische Prüfungen) hat untersucht, ob sich das Konzept einer gemeinsam nutzbaren digitalen Arbeitsumgebung auch für E-Klausuren umsetzen lässt.

„Traditionell wurden textintensive Präsenzprüfungen, wie juristische Gutachtenklausuren, mit Papier und Stift geschrieben.“, sagt Prof.‘in Dr. iur Cornelia Fischer (Hochschule für Polizei und Öffentliche Verwaltung NRW), die das von der Stiftung Innovation in der Hochschullehre geförderte Drittmittelprojekt leitet.  PEP hat technologisch auf die von vielen Hochschulen genutzte Open-Source-Plattform ILIAS gesetzt, die mit dem Plug-In EDUTIEK als digitale Prüfungsumgebung genutzt werden kann. EDUTIEK gehört zu einer neuen Generation von speziell für textintensive Klausuren entwickelten technischen Lösungen, die es Prüfungserstellern, Studierenden, Korrektoren und der Verwaltung ermöglichen, in einer digitalen Arbeitsumgebung zusammenzuarbeiten. Mit EDUTIEK funktioniert ILIAS wie ein digitaler Prüfungsschreibtisch: Da ein Austausch von Dateien per E-Mail oder Download-Upload entfällt, können Studierende ihre E-Klausuren unmittelbar online verfassen, Korrektoren greifen ohne Umwege auf die Prüfungen zu und die Verwaltung hat bei summativen Prüfungen Zugriff auf den aktuellen Prüfungsstand.

Prüfungsinfrastruktur für E-Klausuren

Mit der Entscheidung, Prüfungen als E-Klausuren durchzuführen, ist immer auch die Frage nach einer entsprechenden räumlichen und technischen Prüfungsinfrastruktur verbunden.

PEP hat deshalb die Frage in den Blick genommen, wie sich E-Klausuren auch für Prüfungsgruppen mit mehreren Hundert Studierenden in Präsenz umsetzen lassen und schlägt hier ein „Sharing-Modell“ als Lösungsansatz vor. Kern dieses Ansatzes ist eine Zusammenarbeit mehrerer Institutionen, bei der eine Institution (Prüfungsinfrastruktur-Provider) der anderen (Prüfungsinfrastruktur-User) die Nutzung einer vorhandenen Prüfungsinfrastruktur ermöglicht. Das „Sharing-Modell“ knüpft an dem Umstand an, dass einige Hochschulen die räumlichen, technischen und personellen Ressourcen haben, um große Studierendengruppen in Präsenz zu prüfen, viele Bildungsinstitutionen aber derzeit nicht über eine derartige Prüfungsinfrastruktur verfügen.

Die Vorteile der von PEP vorgeschlagene Anwendung eines „Sharing-Modells“ auf den Prüfungsbereich liegen auf der Hand: Durch die gemeinsame Nutzung von Prüfungsinfrastruktur können mehrere Institutionen Personal, Räume und Technik teilen und so relevante Ressourcen sparen.

PEPige Prüfungen?

In den vergangenen Jahren ist innerhalb der Rechtswissenschaft ein deutlicher Digitalisierungsprozess der Prüfungsverfahren zu beobachten. Mit der Änderung des § 5 Absatz 6 Satz 2 des Deutschen Richtergesetzes (DRiG) im Juni 2021 wurde auf Bundesebene eine ausdrückliche Rechtsgrundlage geschaffen, die den Landesgesetzgebern ermöglicht, die Durchführung schriftlicher Prüfungsleistungen in den staatlichen Juraprüfungen in elektronischer Form zu gestatten

Mehrere Bundesländer haben zwischenzeitlich von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht: auch in Nordrhein-Westfalen können die schriftlichen Aufsichtsarbeiten sowohl im ersten als auch im zweiten juristischen Staatsexamen digital erstellt werden. Die hierfür notwendige technische Infrastruktur wird in Nordrhein-Westfalen durch einen externen IT-Dienstleister bereitgestellt, der sowohl die Ausstattung der Prüfungsräume mit geeigneter Hardware als auch den Einsatz einer speziell entwickelten Prüfungssoftware übernimmt, die auf textintensive juristische Klausuren ausgerichtet ist. In weiteren Bundesländern werden vergleichbare Modelle genutzt, wobei sich sowohl die technischen Anbieter als auch die jeweils eingesetzte Prüfungssoftware unterscheiden.

Die zukunftsfähige Ausgestaltung digitaler Prüfungen erscheint als eine der wichtigsten Herausforderungen, der sich Bildungseinrichtungen in den kommenden Jahren stellen müssen. PEP stellt hier einen Ansatz zur Diskussion, der die Nutzung eines Open-Source-Programms mit dem Gedanken einer von mehreren Institutionen genutzten digitalen Prüfungsinfrastruktur verbindet.